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Wer schafft es in den Freiburger Gemeinderat? 20 Listen kämpfen um Wählerstimmen

Freiburger RatssaalDer Freiburger Gemeinderat wird im Juni neu gewählt. Foto: Ingo Schneider

Bei der Gemeinderatswahl im Juni dieses Jahres wird Freiburg vermutlich wieder Spitze sein: In keiner anderen Stadt in Baden-Württemberg treten mehr Listen an. Diesmal könnten es 20 sein. Hinzu kommt, dass das Mindestalter für Kandidierende ebenso wie das Wahlrecht auf 16 Jahre herabgesetzt wurde. Was das bedeutet, erklärt ein Freiburger Experte.

Bei den Kommunalwahlen in Freiburg am 9. Juni könnten bis zu 20 Listen antreten – das wäre ein neuer Rekord. Freiburg dürfte damit auch landesweit Spitze sein. Im aktuellen Gemeinderat mit seinen 48 Mandaten sitzen Vertreter von 16 Parteien und Gruppierungen. Das ist schon jetzt die höchste Anzahl in Baden-Württemberg. Es wird wohl ab Juni noch bunter. Jede Liste muss zur Wahl 48 Kandidaten aufstellen. Da es keine 5-Prozent-Hürde gibt, können auch Kleinst-Listen mit weniger als zwei Prozent auf einen Sitz im Gemeinderat hoffen. Ein Novum: Das Mindestalter für Kandidierende beträgt nicht mehr 18, sondern 16 Jahre. Auch das Wahlrecht gilt erstmals ab 16.

Der Freiburger Politikwissenschaftler Michael Wehner stuft die daraus folgenden Konsequenzen eher gering ein: „Größere Auswirkungen sehe ich nicht. Es ist zu hoffen, dass die Gemeinderäte etwas jünger und diverser werden, bislang gilt ja für viele das „3 M-Mantra: männlich, mittelalterlich, Mittelschicht-Zugehörigkeit“. Und dass die Wahlbeteiligung hoffentlich aufgrund des „ersten Mals“ in der Altersgruppe der 16- bis 21-Jährigen etwas über der durchschnittlichen Wahlbeteiligung liegt, ansonsten ist diese Altersgruppe eben auch Spiegelbild der Gesamtgesellschaft. Das gilt auch für die Parteienidentifikationen“, so der Leiter der Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg.

Entscheidungen werden komplizierter

Die Vielzahler der Listen betrachtet der Politikwissenschaftler zwiespältig: Die kommunalpolitische Ebene sei schon immer bunter und vielfältiger als die Parteienlandschaft auf landes- oder bundespolitischer Ebene. Demokratietheoretisch sei dieses breite politische Engagement ein gutes Zeichen. Die Volksparteien seien indes seit eh und je in den kommunalen Parlamenten nicht so bestimmend.

Dabei ergebe sich durch die Vielfalt jedoch eine Problematik: „Die Mehrheitsbildung im Gemeinderat wird dadurch nicht erleichtert, sondern verkompliziert die Entscheidungsfindung, besonders wenn es keine Sperrklausel gibt und das Auszählungsverfahren auch noch kleine Parteien begünstigt.“ Sprich: Das Aushandeln von Kompromissen wird durch die Vielzahl unterschiedlicher Listen komplizierter.

Bislang gilt im politischen Freiburg als sicher, dass die AfD bei den nächsten Gemeinderatswahlen im Zuge des Bundestrends stark zulegen wird. 2019 kam sie auf 3,6 Prozent und zwei Ratssitze. Doch werden die Anti-Rechtsextremismus-Proteste, die in erster Linie Anti-AfD-Proteste sind, eine Rolle spielen – zumal mehr junge Wähler zum Urnengang aufgerufen sind? Laut Wehner lassen sich diesbezüglich noch keine seriösen Prognosen ableiten: „Bis zum 9.6. ist es noch Zeit, zu lange, um diese Frage beantworten zu können. In früheren Jahren tendierten Jungwähler zu linken Parteien und Listen und den Grünen. Aber: Bei der letzten Bundestagswahl konnte neben den Grünen, besonders die FDP in dieser Altersgruppe Erfolge erzielen und bei den jüngsten Landtagswahlen in Hessen und Bayern war es die AfD.“Sven Meyer