Kim Vu, Lehrerin der Staudinger-Gesamtschule, hat den diesjährigen Freiburger Lehrerpreis gewonnen. Die 32-Jährige, die bei der Schülerschaft mit Humor, Empathie und Scharfsinn punktet, unterrichtet Englisch, Chemie und Ethik. Im Gespräch mit Redaktionsleiter Sven Meyer spricht sie über die Herausforderungen ihres Berufes.
Frau Vu, Sie sind Freiburgs Lehrerin des Jahres. Was empfanden Sie, als Ihnen die Nachricht dieser
Auszeichnung übermittelt wurde?
Kim Vu: Es war sehr überwältigend, aufregend und sehr rührend. Ich war vor allem überwältigt von der Freude der Kinder, die mit mir die Nachricht gehört haben. Es berührt mich immer noch, welche Worte und Stimmungen ich gehört und erfahren habe. Auf der anderen Seite möchte ich diese Auszeichnung nicht alleine tragen, weil es so viele Lehrkräfte gibt, denen ich sie geben würde und die ich bewundere.
Was zeichnet Sie und Ihren Unterricht aus?
Vu: Was ich aus den Antworten der Schülerinnen und Schüler entnehmen konnte, unter anderem Vertrauenswürdigkeit, Klarheit, Sachlichkeit und Humor. Ich fand es sehr schön, dass meine Schüler das so wahrnehmen. Beziehungsarbeit, Rituale und Regeln sind mir immens wichtig. Wir begegnen uns respektvoll und auf Augenhöhe. In unserem Kollegium arbeiten wir miteinander, teilen Einheiten für das Schuljahr auf, teilen Unterrichtsmaterial etc., das erleichtert die organisatorische Arbeit sehr. Ich bin inspiriert von meinen Kolleginnen und Kollegen, deren Innovation und Engagement.
Gibt es bestimmte Dinge, auf die Sie beim Unterrichten und bei der Interaktion mit Schülerinnen und Schülern, besonders viel Wert legen?
Vu: Alle miteinzubeziehen. Wertschätzung, Blickkontakt, Wahrnehmen, Offenheit, Lachen, beim Namen zu rufen und vor allem Geduld. Nicht zu Urteilen bei den Handlungen, sondern es immer wieder zu versuchen und Verständnis, aber auch Grenzen aufzuzeigen. Ich finde es auch wichtig zu zeigen, dass man selbst menschlich ist und es erlaubt ist, Fehler zu machen und schlechte Tage zu haben und Chancen anzunehmen. In meiner Jugend war das Lied „Gangsta’s Paradise“ ganz groß und die Zeile „They say I gotta learn, but nobody’s here to teach me – If they can’t understand it, how can they reach me?“ erinnert mich daran, empathisch mit der persönlichen Situation meiner Schüler zu sein und daran zu denken, dass viele Faktoren wichtig sind, um ein angenehmes Lernklima zu schaffen.
Wie empfinden Sie denn die heutige Jugend, die Sie ja unterrichten, generell – hat sich etwas im
Vergleich zu Ihrer eigenen Schulzeit verändert?
Vu: Es ist sehr unterschiedlich. Es ist bei uns an der Staudi bunter und offener – aber ich glaube das ist eine Besonderheit meiner Schule und leider keine Selbstverständlichkeit. Wir pflegen eine enge Zusammenarbeit mit dem Elternhaus, haben eine aktive Schulsozialarbeit und ein immer ansprechbares Schulleitungsteam – das habe ich zu meiner Jugend weniger wahrgenommen. Im Hinblick auf die Schülerschaft gibt es Kinder und Jugendliche, die wahnsinnig politisch interessiert und engagiert sind, was in meiner Jugend eher rar war. Integration ist immer noch ein großes Thema. Vielleicht auch ein Größeres als damals. Außerdem beobachte ich einen größeren Medienkonsum, der auch problematisch ist.
Welchen Stellenwert nimmt das Thema Digitalisierung im Unterricht an der Staudinger Schule ein?
Vu: Mit dem Neubau der Staudinger-Gesamtschule wurden wir medial sehr gut ausgestattet. Alle Schüler erhalten ab Klasse 8 ein iPad. Natürlich müssen wir digitale Medien kritisch betrachten, aber es ist das Zeitalter und wir müssen lernen, damit umzugehen, es gut ein- und umzusetzen, es im Unterricht thematisieren und Medienkompetenz entwickeln. Wir haben ein Multimedia-Team, Arbeitskreise und ein Team, das ständig am Medienkonzept arbeitet.
Das deutsche Schulsystem steht stark in der Kritik: Wie erleben Sie das? Muss sich Schule in Deutschland radikal ändern?
Vu: Aus meiner Perspektive steht das deutsche Schulsystem zu Recht unter Kritik. Kritik ist richtig und wichtig. Aus meiner Perspektive muss sich einiges ändern. Lehrermangel wird zwar gerade in den Medien oft thematisiert, aber es ist nicht das Einzige. Dafür, dass wir mit den Menschen unserer Zukunft arbeiten, wird viel zu wenig in Bildung investiert.
Welche drei Tipps würden Sie Lehrer-Neulingen mit auf den Weg geben, um im Lehrberuf erfolgreich sein zu können?
Vu: Sich selbst klar machen, warum man diesen Job machen möchte und Spaß dran haben. Verbündete finden mit denen man Erfahrungen, Ideen und auch schlechte Tage teilt. Verständnis und Geduld haben – für andere und sich selbst.
Sie machen jetzt ein Auszeitjahr: Was planen Sie?
Vu: Menschen und Kulturen kennenlernen. Ein paar Monate woanders zu verbringen. Insgesamt Erfahrungen sammeln, Selbstfürsorge und Energie tanken!