SC Freiburg, Brägele und „Alemannisch schwätze“ – das Heimatgefühl der Freiburger ist von vielen Dingen geprägt. Doch gerade in der Sprache findet ein Wandel statt: Traditionelle Basisdialekte werden immer seltener gesprochen. Droht ein Aussterben des Alemannischen Dialektes?
Hochdeutsch genießt heutzutage ein hohes Ansehen: Auf der Arbeit, in den Medien oder in der Uni sprechen die meisten Hochdeutsch. Diese Änderung hat sich vor allem in den letzten Jahrzehnten herauskristallisiert. „Früher war den Menschen Hochdeutsch fremd“, so Tobias Streck von der Alber-Ludwigs-Universität.
Stattdessen wurde in den Dörfern nur Mundart gesprochen – diese unterschied sich oft auch von Dorf zu Dorf. Die Gesellschaft habe damals anders ausgesehen, sagt Streck. Heute hat sich die Arbeitswelt verändert, die Mobilität immens verbessert. Auch ein anderes Wertesystem und die dynamische Entwicklung in den Medien sorgen dafür, dass kommunikative Bedingungen ganz anders seien, so Streck.
Meist würden Dialekte heute eher im privaten Bereich gesprochen: Rund 86 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg geben an, Dialekt zu sprechen, 45 Prozent von ihnen sogar immer oder oft. Der Rest unterscheide zwischen der aktuellen Situation und dem Umfeld: In der Familie, unter Freunden und im Verein wird demnach besonders gerne Mundart gesprochen wird. „Nur wenige sprechen Dialekt auf der Arbeit“, sagt Tobias Streck. „Die Leute haben ein Gefühl dafür, was wann angemessen ist – man würde in der Uni auch keine Vorlesung im Dialekt halten.“
Tendenziell sprechen etwas mehr Männer als Frauen Dialekt, ebenso wie ältere Menschen eher dazu tendieren, Dialekte zu sprechen, als jüngere. Diese Entwicklung sieht auch Patrick Grober von der Mundartgruppe Freiburg. „Jüngere Leute, die zu uns kommen, haben oft die unbegründete Angst, nichts zu verstehen“, so Grober. Die Mundartgruppe hat sich der Pflege des volkstümlichen Mundarttheaters verschrieben. Der Dialekt auf der Bühne sei jedoch „leicht verständlich“, so Grober. „Wir wollen nicht, dass Dialekte verloren gehen.“
Dies fürchtete Tobias Streck nicht: „Man muss sich die Grundfrage stellen: Was verstehen die Leute unter Dialekt?“, so Streck. Erkennbar sei, dass sich immer häufiger Regiolekte zeigen – also eine Sprache mit regionaler Färbung, die weder Hochdeutsch noch ein Basisdialekt sei. „Alte Dialekte werden immer mehr abgelöst von einem breiten Spektrum an raumgebundenem Sprechen“, sagt Streck.
Das Publikum der Mundartgruppe Freiburg besteht vor allem aus Personen über 50. Hintergrund dafür sei aber auch die Tradition: „Die Leute freuen sich, dass es in Haslach noch Theater gibt, und wollen ein Mal im Jahr dort hin – da ist man schon vor 20 Jahren hin gegangen oder mit den Eltern und weiß – do hob i Spaß“, sagt Grober.
Spielerinnen und Spieler in der jüngeren Generation zu finden, sei eine Herausforderung, das liege aber eher am Alltag als am Dialekt: „Zwischen 20 und 35 ziehen die Leute weg zum Studieren, reisen oder bekommen Kinder“, so Grober, der selbst Kinder hat. Zu Hause legt er Wert darauf, den Kindern den Alemannischen Dialekt nahe zu bringen: „Der Große übernimmt auch einiges davon“, sagt Patrick Grober. Aber: „Man muss Dialekt auch selbst im Alltag platzieren, damit die Kinder ihn übernehmen können.“
„Wir sehen einen Abbau von dem, was nur in kleinem Umkreis verständlich ist, zu Formen, die weiträumiger sind und in Baden, Baden-Württemberg oder ganz Süddeutschland gesprochen werden.“
Tobias Streck, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Einen besonderen Unterschied sehe man laut Tobias Streck vor allem beim Wohnort: In ländlichen Bereichen seien Dialekte noch immer verbreiteter, als in der Stadt. „In Städten haben wir generell eine größere gesellschaftliche Durchmischung.“
Diese gesellschaftliche Durchmischung macht auch Patrick Grober verantwortlich für die sprachlichen Änderungen: „Wenn sich Menschen aus Tübingen und aus Bayern kennenlernen und zusammen nach Freiburg ziehen – welchen Dialekt spricht man dann?“ Meist lande man doch wieder bei Hochdeutsch.
Auch in Zukunft werde sich die Sprache weg von tiefen Basisdialekten und hin zu Regiolekten entwickeln, so Tobias Streck. „Wir sehen einen Abbau von dem, was nur in kleinem Umkreis verständlich ist, zu Formen, die weiträumiger sind und in Baden, Baden-Württemberg oder ganz Süddeutschland gesprochen werden“, so Streck. Doch auch in Zukunft werde die Deutsche Sprache eine deutliche Regionalität haben und bunt bleiben. „Man darf nicht Angst haben, dass der Dialekt stirbt und untergeht – Sprache verändert sich.“