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Bundestagswahl: Der große Endspurt

Bundestagswahl 2025: Die Briefwahl ist in Freiburg schon in vollem Gange. Foto: DPA/Sven Simon

In weniger als zwei Wochen wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Der Wahlkampf wird in Freiburg intensiv geführt. Wie ist die Stimmung? Worauf kommt es jetzt an? Eine Momentaufnahme.

Überall im Stadtgebiet buhlen die Wahlkampfteams der Parteien um Wählerstimmen – speziell an den Wochenenden sind für jede Partei gleich mehrere Teams an Infoständen aktiv. Daneben läuft der direkte Kontakt auch über Haustürwahlkampf.

„Das Fell des Bären kann erst verteilt werden, wenn er erlegt worden ist. Zunehmend werden Wahlen auf der Zielgeraden entschieden. Um die 30 Prozent der Wahlberechtigten sind noch unentschlossen, ob sie wählen und wem sie ihre Stimme geben. Es lohnt sich also für die Parteien und Kandidaten bis zur letzten Minute zu kämpfen“, erklärt der Politikwissenschaftler Michael Wehner, Leiter der Außenstelle Freiburg der Landeszentrale für politische Bildung.

Intensive Debatten, aber auch teils wüste Beschimpfungen an den Wahlständen

Das Interesse ist jedenfalls sehr hoch, betonen die vom Wochenbericht befragten Parteien. Besonders im Blickpunkt steht dabei, seit der von Kanzlerkandidat Friedrich Merz initiierten Migrationsabstimmung im Bundestag, die CDU. „Grundsätzlich haben wir eine breite positive Resonanz – in Freiburg merklich positiver als in vorherigen Wahlkämpfen – aber natürlich hat die Debatte im Bundestag etwas verändert. Zuvor standen in den Gesprächen mehr Wirtschaftsthemen im Vordergrund, jetzt ist das Migrationsthema in den Fokus gerückt und auch die Debatte um die Kooperation mit der AfD bewegt viele, die uns an den Ständen ansprechen“, erklärt Valentino Scarvaglieri aus dem CDU-Wahlkampfteam von Klaus Schüle gegenüber dem Wochenbericht.

„Für den Vorstoß von Friedrich Merz bekommen wir viel positiven Zuspruch, den Leuten geht es dabeiums Inhaltliche – diesen Wählerinnen und Wählern ist klar, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht zur Debatte steht“, so Scarvaglieri. Aber es gebe auch kritische Stimmen und teils auch wüste Beschimpfungen durch Passanten. Diese Leute, so vermutet er, waren „uns zuvor auch nicht freundlich gestimmt“.

Auch in den Freiburger Stadtteilen ist der Bundestagswahlkampf omnipräsent. Foto: Bamberger

An die Infostände der SPD kämen indes seit Merz’ Vorstoß auffällig viele Bürgerinnen und Bürger, die sich empört zeigten und Sorgen vor dem Fall der „Brandmauer“ äußerten, erklärt Gasan Gusejnov, Wahlkampfleiter der Freiburger SPD mit deren Spitzenkandidaten Ludwig Striet. Die beiden Themen, die in den Gesprächen jedoch am meisten zum Tragen kämen, seien der Ukraine-Krieg und die Waffenlieferungen und noch mehr: die prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt. „Dass bezahlbarer Wohnraum so rar ist, treibt viele wirklich um – auch die Unternehmen, denn potenzielle neue Arbeitskräfte werden abgeschreckt, nach Freiburg zu kommen“, so Gusejnov. Darüber hinaus sorgten sich viele um die politische Stabilität im Land. Dass das Gesprächsklima an den Infoständen oder dem Haustür-Wahlkampf ruppiger als sonst sei, könne Gusejnov jedoch nicht feststellen.

Carsten Drecoll, Kreisvorsitzender der Grünen, erlebt die Stimmung an den Wahl-Infoständen sogar überwiegend positiv. Selbst bei Anfeindungen könne man mit den meisten am Ende doch noch sachlich reden, sagt er. Dass das Thema bezahlbarer Wohnraum eine Rolle spiele, bestätigt er. Viele Grünen-Sympathisanten zeigten sich zudem verwundert bis besorgt darüber, dass der Klimawandel in den öffentlichen Debatten kaum mehr eine Rolle spiele. Seit der Merz-Abstimmung mit der AfD werde auch über das Thema „Brandmauer“ intensiv gesprochen. Und natürlich, so der Kreisvorsitzende, treibe viele die Frage um, wie es denn nach der Bundestagswahl weitergehe – nach dem Motto: „Könnt ihr mit CDU/CSU überhaupt noch koalieren?“ „Der Bundesvorstand schließt das nicht aus und betont, man möchte vernünftig miteinander reden, und das vermitteln wir auch den Menschen“, so Drecoll.

Der Freiburger AfD-Stadtrat Karl Schwarz berichtet von einem merklich gesteigerten Interesse an seiner Partei in Freiburg. „Die Leute reißen uns regelrecht die Flyer aus den Händen“, so Schwarz. Gespräche an den Infoständen hätten auch zur Folge gehabt, dass in den letzten Wochen 15 neue Mitglieder in die Rechtsaußen-Partei eingetreten seien – laut Schwarz seien das Menschen quer aus allen Bevölkerungsschichten. Allerdings gäbe es auch teils sehr starke Anfeindungen gegen die AfD-Wahlkämpfer. Im Endspurt wolle man sich auf Arbeiter und bisherige Nichtwähler konzentrieren – und dafür vor allem im Freiburger Westen Präsenz zeigen und mit den Leuten ins Gespräch kommen.

Ein großer Trend, der bei dieser Wahl erneut zu sehen ist: Immer mehr der insgesamt rund 160.000 Wahlberechtigten in Freiburg entscheiden sich für die Briefwahl. Bis Freitag vergangener Woche wurden 51.390 Unterlagen beantragt. Alle hat das Wahlamt inzwischen versendet.

„Im Moment haben wir so viele Briefwahlanträge wie bei der Landtagswahl 2021 zum gleichen Zeitpunkt. Nur bei der Bundestagswahl 2021 wurde ein höherer Wert erreicht. Insgesamt rechnen wir diesmal mit rund 62.000 Anträgen“, erklärt Rathaussprecher Toni Klein. Wahlhelfer hätten sich diesmal im Vorfeld mehr als genügend gemeldet. Trotzdem bleibt noch eine kleine Unsicherheit: „Die Grippe geht gerade rum. Wir hoffen alle, dass die Grippewelle nicht zu sehr zuschlägt“, sagt Klein.

Wem nutzen die Anti-Rechts-Demos am meisten?

Eine Frage, die heiß diskutiert wird: Wem nutzen eigentlich die Anti-Rechts-Demonstrationen wie am Montagabend in Freiburg? Der Politikwissenschaftler Michael Wehner erklärt dazu: „Das hängt davon ab, ob und wer sich von diesen Demonstrationen mobilisieren lässt. Sind die Bekundungen für mich motivierend und mobilisierend, lass ich mich vielleicht davon in meinem Wahlverhalten anstecken. Eventuell werden aber auch Sympathisanten der Gegenseite bestärkt in íhrer Haltung ’Jetzt erst recht AfD wählen’.“ Entscheidend ist auch, ob und von wem Nichtwähler zum Wählen gehen motiviert werden können. Für Freiburg gehe ich eher davon aus, dass linke und grüne Parteien ihre Anhänger besser mobilisieren und an die Wahlurne bringen können.“

Wehner rechnet mit einer hohen Wahlbeteiligung: „Das Interesse an der Wahl ist größer als in den zurückliegenden Jahren, das zeigt sich auch an den Rekordnutzerzahlen für den Wahl-O-Mat. Interesse ist aber noch keine Stimmabgabe. Es ist aber zu vermuten, dass die relativ hohe Wahlbeteiligung von 76,4 Prozent noch einmal steigt. Vielleicht knacken wir mal wieder die 80-Prozent-Marke. Das war zum letzten Mal 1998 der Fall als Helmut Kohl abgewählt wurde“, erklärt Wehner.