Entgegen dem Bundestrend bleibt sich Freiburg treu: Die Breisgaumetropole ist eine schier uneinnehmbare Grünen-Hochburg. Deren Kandidatin Chantal Kopf hat das Direktmandat souverän verteidigt und legte dabei sogar nochmal zu.
Auch bei den Zweitstimmen blieben die Grünen trotz Verlusten vorne und holen mit 26,6 Prozent bundesweit ihr bestes Zweitstimmenergebnis. „Das war ein erwartbarer Sieg der Amtsinhaberin in einer grün-linken Hochburg. Für zusätzliche Mobilisierung hat mit Sicherheit das Merzmanöver zur Asylpolitik gesorgt“, erklärt Michael Wehner, Leiter der Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung. Größter Gewinner bei den Zweitstimmen ist im Wahlkreis Freiburg allerdings Die Linke, die ihr Ergebnis verdoppeln konnte. Auch die AfD konnte ihr Ergebnis fast verdoppeln, bleibt aber mit 10,4 Prozent weit hinter dem Bundesergebnis (20,8 Prozent) zurück.
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Siegerin Chantal Kopf dankt für das Vertrauen und erklärte, sie wolle sich weiter um die Anliegen der Menschen im Wahlkreis kümmern, ob sie nun Grün gewählt hätten oder nicht. Der Abstand auf den CDU-Kandidaten Klaus Schüle betrug 8 Prozent – allerdings war Schüle im Umland der Sieger dieses Duells.
Linken-Kandidat Vinzenz Glaser wird über die Landesliste in den neuen Bundestag einziehen. Die Linke erreichte in Freiburg Stadt mit 16,9 Prozent ihr bestes Zweitstimmen-Ergebnis in ganz Baden-Württemberg. Entsprechend frenetisch war der Jubel bei der Wahlparty im Neuen Wiehrebahnhof. Besonders überraschend: Bei den Zweitstimmen überflügelte Die Linke in der Stadt sogar die SPD. Die Sozialdemokraten (15,2 Prozent) fuhren auch in Freiburg ihr historisch schlechtestes Bundestagswahlergebnis ein und landeten erstmals nur auf dem enttäuschenden vierten Platz. Martina Kempf, die AfD-Kandidatin, profitierte indes von der blauen Welle und wird den Wahlkreis Freiburg als dritte Abgeordnete in Berlin vertreten. Die 60-jährige Breisacherin zieht erstmals in den Bundestag ein. Bemerkenswert: Erstmals gewinnt die AfD mit Landwasser und Weingarten in Freiburg zwei Stadtteile.
Viele Beobachter hatten diese Bundestagswahl als historische Richtungswahl gedeutet, nach Einschätzung von Wehner wird es aber in der sehr wahrscheinlichen GroKo-Regierung nicht zum großen Wechsel kommen können: „Ein echter Politikwechsel wird nicht stattfinden, da es der kleinste gemeinsame Nenner werden wird, auf den man sich einigen kann. Schlimmer wäre es nur noch geworden, wenn das BSW ins Parlament gekommen wäre. Jetzt muss Friedrich Merz Moderator werden und nicht Macher, also genau das, was Merkel und Scholz verkörperten und er nicht sein wollte“, so der Politikexperte. Und weiter: „Die SPD wird versuchen, den Preis hochzutreiben und ein Mitgliederentscheid muss ja dann auch noch die Koalition befürworten.“
Dass die Koalition zustandekommen und dennoch einiges an Aufgaben angegangen werden wird, dafür spricht, dass „letztendlich beide Parteien zur Einigung und zum Erfolg verdammt“ seien, so Wehner. „Es ist die einzige Möglichkeit die Handlungsfähigkeit der demokratischen Mitte unter Beweis zu stellen.“ Bei dem heiklen Punkt Migrationspolitik – für Merz ein Kernanliegen – erwartet Wehner, dass sich die SPD bewegen wird und eher Positionen wie die dänischen Sozialdemokraten mit ihrer strikten Asylpolitik einnehmen wird. „Ich vermute in diese Richtung wird es gehen, zumal ja auch viele Arbeiter/Angestellte eine restriktivere Migrationspolitik wollen und deswegen AfD und CDU gewählt haben“, sagt der Politikforscher.