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Dem Stress der Bäume auf der Spur: Freiburger Forscherin mit Landeswissenschaftspreis ausgezeichnet

Bäume können sich gegenseitig warnen: Der Wald als Forschungsgebiet offenbart viele faszinierende Geheimnisse, Foto: Julian MüllerBäume können sich gegenseitig warnen: Der Wald als Forschungsgebiet offenbart viele faszinierende Geheimnisse. Foto: Julian Müller

Die Anerkennung ist groß: Die Freiburger Umweltwissenschaftlerin Christiane Werner wurde für ihre Grundlagenforschung zum Thema Trockenstress bei Bäumen im Oktober mit dem wichtigsten Forschungspreis des Landes ausgezeichnet. Die 100.000 Euro Preisgeld wird sie in die Arbeit ihrer Forschungsgruppe am Institut für Geo- und Umweltwissenschaften der Freiburger Uni stecken, so die Wissenschaftlerin im Gespräch. Genauso wichtig ist für sie aber auch die öffentliche Wahrnehmung, die ihrer Arbeit durch den Preis zukommt.

Frau Professor Dr. Werner, sie betreiben Ökosystemforschung und befassen sich mit Anpassungsmechanismen von Pflanzen im Klimawandel. Was genau machen Sie da?

Christiane Werner: Wir arbeiten vor allem im Wald und messen Stressreaktionen von Pflanzen auf Umwelteinflüsse. Das geht mit Sensoren, die untersuchen, welche Stoffe Pflanzen an ihre Umwelt abgeben. Bäume geben unterschiedliche organische Verbindungen ab, in der Fachsprache nennt man die VOCs. Diese speziellen Moleküle sorgen zum Beispiel für den charakteristischen Geruch eines Waldes, den wir wohl alle gut von Spaziergängen kennen. Bei Hitzestress oder Befall durch Borkenkäfer geben Bäume andere VOCs ab als unter normalen Bedingungen.

Heißt das, Sie können riechen, ob es dem Wald gutgeht?

Werner: Man muss das vorsichtiger Formulieren. Wir können die abgegebenen Molekülverbindungen messen. Das sind einerseits Frühwarnsignale für uns, wenn ein Wald bedroht ist. Und es sind sozusagen Kommunikationswege der Bäume untereinander: Wenn ein gestresster Baum bestimmte Moleküle abgibt an die Luft oder über den Boden, dann passen umliegende Pflanzen ihren Stoffhaushalt an. Sie können also Abwehrmechanismen entwickeln. Das hat natürlich nichts mit „sprechenden Bäumen“ zu tun, wie es ein Reporter neulich mal ausgedrückt hat. Es geht hier um chemische Signale, die an die Umwelt abgegeben werden.

Bei Bäumen spricht man von Trockenstress. Nun war 2024 ja eher ein sehr feuchtes Jahr in unseren Breiten. Trotzdem konnte man im Herbst beobachten, dass das Laub an vielen Bäumen sehr ausgetrocknet und ungesund aussah. Wie passt das denn alles zusammen?

Die Freiburger Forscherin Christiane Werner untersucht die Stressreaktionen von Pflanzen auf Umwelteinflüsse. Foto: Klaus Polkowski

Werner: Ein Regenjahr reicht nicht aus, um die Folgen mehrerer Jahre Trockenstress auszugleichen. Man spricht da vom „Legacy-Effekt“, also einem Verzögerungseffekt“ durch die Trockenheit. Wir haben einen Versuchswald bei Hartheim, den wir beobachten. Dort sterben jetzt die Kiefern als Folge des Trockensommers 2018 ab. So ein extremer Sommer kann einen Wald stark schwächen und an einen Kipppunkt bringen. Bäume sterben häufig zeitversetzt zu Stressereignissen ab. In unserem aktuellen Forschungsprojekt „Ecosense“ erforschen wir das zusammen mit Mikrosystemtechnik-Experten genauer mit Sensoren, die wir an im Boden, am Stamm und an den Blättern befestigen. Das ist eine aufwändige, teure Arbeit.Wir wollen verstehen, warum beispielsweise ein Wald an einem bestimmten Standort leichter mit Trockenheit zurechtkommt, als ein anderer Wald an einem anderen Standort mit ähnlichen Bedingungen.

Durch den Forschungspreis bekommt ihre Arbeit aktuell viel öffentliche Aufmerksamkeit. Müssten Unis und Forscherinnen und Forscher nicht ohnehin ständig mehr und lauter über ihre Arbeit und Erkenntnisse sprechen, um in der öffentlichen Debatte um Themen wie den Klimawandel die gebührende Aufmerksamkeit zu bekommen? Der öffentliche Diskurs wird ja nicht gerade von der Wissenschaft bestimmt.

Werner: Es ist tatsächlich eine Mammutaufgabe. Wenn wir uns vor unserer Haustür umschauen, finden wir ja genügend Politiker, die einfach weitermachen wollen, wie bisher. Das ist gefährlich, da wir Menschen weltweit die Temperaturen „hochdrehen“ und das Klima in einer nicht vorhersehbaren Art und Weise ändern. Das sind neue, unbekannte Bedingungen, die uns auch dadurch überraschen, dass sie schneller eintreten, als wir Wissenschaftler dies befürchtet hätten. Wir reden ja viel davon, dass wir den Wald umbauen wollen, damit er dem Klimawandel etwas entgegensetzen kann. Nur: Wir wissen streng genommen nicht genau, welches der beste Weg ist.


Wie meinen Sie das?

Werner: Da wir nicht wissen, was genau in Sachen Klima auf uns zukommt. Normalerweise kann ein Wald einen Trockensommer gut verkraften. Was wir jetzt aber sehen sind Extreme, die immer stärker und häufiger auftreten. Den Wäldern fehlen die Erholungsphasen. Das gefährdet sie, und das können wir uns nicht leisten. Aber dieses Problem kann die Wissenschaft alleine nicht lösen und auch nicht die Politik. Wir müssen unsere Erkenntnisse sicher verstärkt nach außen kommunizieren. Aber letztlich muss jeder einzelne etwas tun. Das fängt beispielsweise damit an, dass man darüber nachdenkt, wie man den eigenen CO2-Abdruck verringert und den eigenen Vorgarten nicht zubetoniert.

Das Interview führte Bernd Peters