Seit der Cannabis-Legalisierung am 1. April erlebt ein Freiburger Fachgeschäft für Marihuana-Bedarf einen Kundenansturm. Der Bußgeldkatalog des Landes Baden-Württemberg für Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz liegt derweil noch nicht vor – und auch die Polizei will den illegalen Verkauf konsequent verfolgen.
150 Menschen. So viele Besucher zählte der Hanfnah-Shop hinterm Schwabentor am Ostermontag, als das Cannabis-Gesetz in Kraft trat. Seit dem 1. April darf in Deutschland legal Cannabis konsumiert werden – und das taten die Menschen an diesem Tag im Cannabis-Fachgeschäft von Inhaber Tobias Pietsch. Und noch etwas stellen er und sein Kollege Bernhard Bieschke seitdem fest.
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes würde vermehrt ältere Kundschaft den Hanfnah-Shop, den es seit einem Dreivierteljahr gibt, aufsuchen. Davor seien nur jüngere Menschen gekommen. „Wir sind von morgens bis abends zu zweit dabei, die Kunden zu beraten“, berichtet Pietsch. Die hohe Hemmschwelle vor dem Thema Cannabis sei bei vielen inzwischen endgültig gefallen. Dass man jetzt „ganz legal“ in ein Fachgeschäft gehen könne, mache für viele Menschen einen großen Unterschied aus, so Pietsch: „Das zeigt, wie wichtig das Gesetz ist und wie es zur Entstigmatisierung von Cannabis beiträgt.“
Mehr noch: Pietsch berichtet von emotionalen Diskussionen mit enttäuschten, älteren Kunden, die dachten, sie könnten sich in dem Geschäft jetzt einfach einen Joint kaufen. Doch das Gesetz legalisiert nur den Konsum, nicht aber den Verkauf von Cannabis, was vielen nicht bewusst sei. „Eine ältere Dame war deswegen richtig sauer, bis ich ihr dann die Hintergründe und die Entscheidungen der Politik erklären konnte“, so Pietsch.
„Vom Azubi bis zum Rentner, mit Budgets von 500 bis 2.000 Euro – bei den Kunden ist alles dabei.“
Bernhard Bieschke, Hanfnah-Shop Freiburg
Der Beratungsbedarf sei hoch, und ebenso die Nachfrage: Substrate, Erde, Dünger, Anbauzelte, „sogar die Samen“ würden mittlerweile knapp, „die Leute reißen uns alles aus den Händen“, sagt Bernhard Bieschke: „Vom Azubi bis zum Rentner, mit Budgets von 500 bis 2.000 Euro – bei den Kunden ist alles dabei.“ Und Pietsch ergänzt: „Das große Problem ist, dass auch im Groß- und Onlinehandel die Lager wie leer gefegt sind. Wenn ich gewusst hätte, welche Entwicklung das nimmt, hätte ich im Vorfeld mehr Ware bestellt“, sagt er und zeigt auf die verbliebenen zwei Säcke mit Substrat, die im hinteren Teil des Geschäfts lagern.
Die hohe Nachfrage führt zu regelrechten Preissprüngen. Am Montag habe er beim Internetriesen Amazon einen Sack Erde zum Stückpreis von 40 Euro statt der üblichen 15 Euro entdeckt. Sein Geschäft wolle aber trotz der Goldgräberstimmung fair zu den Kunden bleiben. „Wir haben vielleicht im Moment nichts da, aber wenn, dann verkaufen wir die Ware zu vernünftigen Preisen“, so Pietsch.
Wird Freiburg Cannabis-Modellregion?
Und die Zukunft könnte für Fachgeschäfte wie seines weiterhin rosig aussehen. So bewirbt sich die Stadt Freiburg als Modellregion für den Cannabis-Verkauf durch staatlich lizenzierte Geschäfte. Der Bund will hierzu ein weiteres Gesetz vorlegen. Pietsch ist sich sicher, dass Freiburg gute Chancen habe, als Modellregion zugelassen zu werden. Diese zweite Stufe könne dann noch einmal einen Schub geben. „Viele wollen nicht extra in einen Cannabis-Club eintreten, um zu konsumieren“, sagt er. In der Gesellschaft, sagt Pietsch, sei mit dem 1. April etwas passiert: „Das, was viele 50 Jahre lang heimlich im Keller gemacht haben, geht jetzt ganz legal. Es ist ein Gefühl von Leben und Freiheit, das die Menschen endlich ausleben können.“
Doch trotz der neuen Freiheit, gibt es auch die andere Seite: Das Gesetz regelt klar, wo der Konsum erlaubt ist und wo nicht – in Sichtweite und im Umkreis von 100 Metern um Spielplätze, Sportanlagen, Schulen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen ist das Kiffen verboten. Online findet man bereits sogenannte ’Smoke Maps’, die für jede Kommune die Verbotszonen zeigen.
Die Freiburger Polizei will das Einhalten der Verbote überwachen, sagte Pressesprecherin Laura Riske. „Wir als Polizeipräsidium Freiburg haben uns auf die Teil-Legalisierung von Cannabis vorbereitet“ und das Vorgehen sei „eng mit den Staatsanwaltschaften“ abgestimmt. Dabei hätten der Schutz von Kindern und Jugendlichen und die Sicherheit im Straßenverkehr „für uns weiterhin höchste Priorität“, so Riske: „Daher werden wir – im Zuge ganzheitlicher Kontrollen – diese naturgemäß auch im Umfeld von Spielplätzen und Schulen durchführen“, so die Polizeisprecherin. Wer dabei mehr als 25 Gramm Cannabis bei sich führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, bei über 30 Gramm eine Straftat.
Noch geht die Polizei davon, dass das Cannabis aus illegalen Quellen stammt
In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Freiburg und des Polizeipräsidiums Freiburgs vom Mittwoch heißt es außerdem, dass die Polizei nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet sei, tätig zu werden, wenn der Anfangsverdacht einer Straftat besteht. Konkret heißt das: Wenn die Polizei aktuell Personen antrifft, die Cannabis bei sich führen, geht sie davon aus, dass dieses “nicht aus legalen Quellen stammen kann, da die Regelungen zum (legalen) Erwerb von Cannabis in Anbauvereinigungen erst am 01.07.2024 in Kraft treten werden”, so Laura Riske. Zwar sei der private Eigenanbau seit dem 1. April erlaubt, doch “aufgrund der erforderlichen Wachstums- und Trocknungsphase” seien “konsumfähige Erzeugnisse zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen”, heißt es in der Mitteilung. Erst ab dem 1. Juli ist es Cannabis-Clubs in Deutschland (und auch nur diesen) erlaubt, ihren Mitgliedern das Gras verkaufen.
Der Besitz und inländische Erwerb von Cannabis innerhalb der erlaubten Mengen seien aktuell nicht strafbar. Strafbar aber sei die Weitergabe und der Verkauf von Cannabis “durch unbekannte Dritte”, weswegen die Polizei den Handel mit Cannabis “weiter konsequent” strafrechtlich verfolgen werde, “insbesondere im Hinblick auf die cannabisbezogene Organisierte Kriminalität”, heißt es. Wer von der Polizei also derzeit wegen des Besitzes von Cannabis kontrolliert wird, sei automatisch “Zeuge im Verfahren gegen die nicht bekannten, zweifellos illegalen Verkäufer”, teilen Staatsanwaltschaft und Polizei mit. Diese Zeugen sei dann zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet, auch ihre Personalien werde die Polizei aufnehmen.
Stadt Freiburg entscheidet bei Bußgeldern je nach Einzelfall
Wieviel Bußgeld die Kommunen im Land bei Ordnungswidrigkeiten verlangen können, ist noch nicht bekannt. Der Bußgeldkatalog des Landes Baden-Württemberg liegt noch nicht vor. Laut Tabea Krauß, Pressesprecherin der Stadt Freiburg, werde der Städtetag Baden-Württemberg gegenüber dem Sozialministerium anregen, eine Empfehlung mit Rahmen- und Regelsätzen zu geben. „Solange es so eine Empfehlung noch nicht gibt, entscheidet die Bußgeldbehörde je nach den Umständen des Einzelfalls über die Höhe des Bußgelds“, so Krauß.