Finanzbürgermeister Stefan Breiter (CDU), ist zugleich oberster Ordnungshüter im Freiburger Rathaus. Im Sommerinterview befragt ihn Wochenbericht-Redaktionsleiter Sven Meyer zu akuten Brennpunkten, der städtischen Investitionspolitik und dem neuen Eisstadion.
Herr Breiter, Deutschland steckt in einer Wirtschaftsflaute. Hat das auch Auswirkungen auf Freiburg
Stefan Breiter: Freiburg kann sich natürlich nie einem Bundestrend vollständig entziehen. Allerdings haben wir einen guten unternehmerischen Mix vor Ort, ohne etwa das Klumpenrisiko einer Automobilindustrie. Bislang spüren wir keine Flaute. Vielleicht betreiben wir auch nur gute Gegenmaßnahmen. So haben wir die Niedrigzinsphase genutzt, um günstige Kredite aufzunehmen, um unsere Infrastruktur- und Baumaßnahmen voranzutreiben – das ist Geld, das in die regionale Wirtschaft und ins Handwerk fließt.
Nichtsdestotrotz beträgt der Schuldenberg der Stadt 380 Millionen Euro und, wenn man es mit allen städtischen Beteiligungen betrachtet, sind es rund 1,5 Mrd. Besorgt Sie das nicht?
Breiter: Natürlich freut sich kein Finanzbürgermeister über hohe Schulden. Aber eine Stadt muss sich weiterentwickeln. Wir müssen schauen, dass unsere Infrastruktur instandgehalten wird. Ein Beispiel ist das Westbad. Hätte man damals die Infrastruktur, also das Außenbecken, kontinuierlich instand gehalten, müssten wir heute kein neues Becken bauen. Wir müssen nicht nur die Schulden auf dem Bankauszug sehen, sondern die gesamte Bilanz: Wir schaffen durch eine ergänzende Kreditaufnahme auch massive Werte in unserem Anlagevermögen, wie etwa neue Wohnungen. Wenn wir unsere Investitionen stoppen würden, könnten wir die Stadt innerhalb von drei, vier Jahren entschulden. Wäre es aber richtig, keine neuen Schulen zu bauen? Nicht in Digitalisierung zu investieren? Wir haben ja einen gesellschaftlichen Auftrag und kennen die Bedarfe. Solange wir Schulden im investiven Bereich aufnehmen und weiterhin einen Zahlungsmittelüberschuss im konsumtiven Bereich haben, bin ich entspannt.
Ein anderes Thema, das Freiburg bewegt: Was ist die Lösung für den ständigen Konflikt um den öffentlichen Raum?
Breiter: Ich halte es für sinnvoll, dass wir mit Maßnahmen wie der Aufwertung des Eschholzparks, die wir in enger Absprache mit den Jugendlichen selbst durchgeführt haben, Gegenakzente setzen, um das Nachtleben auf öffentlichen Plätzen etwas zu entzerren und die Betroffenen zu entlasten. Das Gesamtkonzept zum Platzmanagement und Konfliktprävention sieht die Schaffung von neuen Plätzen und die Fortsetzung unserer präventiven Maßnahmen vor. Das ist der Freiburger Weg, von dem ich und der Gemeinderat überzeugt sind.
Sie nennen es den Freiburger Weg. Können Sie den bitte skizzieren?
Breiter: Der Dreiklang des Freiburger Wegs lautet Prävention, Kommunikation und – wenn alles gute Zureden und alle Argumente nicht helfen – Intervention in Form von polizeilichen Maßnahmen. Die Sensibilisierung der draußen Feiernden durch unsere Nachtmediatoren soll dabei auch weiterhin der Schwerpunkt bleiben. Sie kommunizieren bereits im Vorfeld und sensibilisieren Feiernde, bevor es überhaupt zu Ärger oder Konflikten kommen kann. Dabei agieren sie auf Augenhöhe, ohne bevormundend zu sein. Das funktioniert.
Wir leben in einer Reizgesellschaft. Kaum ein Thema, bei dem es nicht Ärger gibt, nehmen Sie das auch so wahr?
Breiter: Ja, das macht mir Sorgen. Wir haben nicht mehr den starken, gesamtgesellschaftlichen Konsens. Wir haben die Radfahrer gegen die Autofahrer, die Veganer gegen die Fleischesser, Gendersprache-Befürworter und Gegner, die Israelbefürworter gegen die Gaza-Unterstützer… etc. Was aber wirklich zunehmend wahrnehmbar ist: Wir haben den Konflikt Jung gegen Alt – junge Menschen verstehen die Belange der lebensälteren Generationen nicht mehr und es kommt teilweise zu grotesken Diskussionen über die Zukunft der Welt. Aktuell leben wir in einer Gesellschaft, in der die Einzelinteressen gegenüber den Gemeinschaftsinteressen einen höheren Stellenwert einnehmen: Nach dem Motto, was interessieren mich die anderen. Das gilt für die laut Feiernden, die nicht auf die Nachtruhe der anderen achten, genauso wie für jene, die in ihrem Stadtteil das Aufstellen einer öffentlichen Toilette verhindern. Die Politik ist gegenüber dieser Entwicklung leider etwas machtlos.
Kommen wir zum Thema Sicherheit: Wie kann sich die Zivilgesellschaft einen Ort wie den Stühlinger Kirchplatz, auf dem öffentlich mit Drogen gedealt wird, zurückholen?
Breiter: Die gesamte Mischung an unterschiedlichen Personen, die sich dort angesiedelt hat, schreckt viele Bürger ab und wirkt verstörend. Deshalb entwickeln wir gerade mit allen Akteuren ein Gesamtkonzept. Der Platz soll so attraktiv werden, dass er sich mehr Richtung Wohlfühl-Area bewegt. Das bedeutet natürlich auch eine Zurückdrängung des Bestehenden. Das sind wir auch den Schülerinnen und Schülern der Hebelschule schuldig. Es hilft dabei, dass wir eine sehr enge und gute Zusammenarbeit mit der Polizei haben. Ich bin optimistisch, dass uns das gelingen wird.
Das andere Akut-Problem ist der Pergola-Platz. Die Anwohner dort sprechen von untragbaren Zuständen aufgrund der Drogenszene?
Breiter: Wir haben den Kontaktladen, wir haben den Drogenkonsumraum und wollen durch den Pergolaplatz das alles näher zusammenbringen. Die Szene soll weg vom eigentlichen Park und dem Boulevard, der den Bürgern gehören soll. Bei der Konzeption und Planung wurde offenbar die Entwicklung der Drogenszene unterschätzt. Die Art der Drogen, die jetzt konsumiert werden, hat sich grundlegend verändert: Auf einmal haben wir es auch mit Crack und Kokain zu tun. Das sind Drogen, die hochaggressiv machen können und aufputschen. Aktuell laufen Gespräche mit den Anwohnenden, um zu schauen, wie die Situation verbessert werden kann. Mein Büro ist am Fahnenbergplatz und wir erleben die unschöne Situation tagtäglich, z.B. wenn suchtkranke Personen die Einfahrten und Zugänge zum Gebäude in Beschlag nehmen.
Zum Schluss ein sportliches Dauerthema: Wann kommt die Entscheidung zum neuen Eisstadion?
Breiter: Die Frage, die beantwortet werden muss: Kann ein Ankermieter wie der EHC ein modernes Eisstadion mit der entsprechenden technischen Infrastruktur auch dauerhaft unterhalten? Oder wird der Betrieb des Eisstadions dauerhaft die städtischen Finanzen belasten? Muss also der Steuerzahler dafür aufkommen? Wenn es so wäre, können und wollen wir uns das leisten? Als Sportbürgermeister befürworte ich das ausdrücklich. Ich bin aufgrund meiner sportlichen Vergangenheit unverdächtig, nicht alles für den Erhalt des Eissports in Freiburg tun zu wollen. Eissport hat in Freiburg eine jahrzehntelange Tradition. Aktuell sehe ich noch kein abgeschlossenes Meinungsbild im Gemeinderat. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir eine Entscheidung fällen müssen.
Und die wird kommen?
Breiter: Wir können diese Notlösung in der Franz-Siegel-Halle nicht immer weiter verlängern und wenig nachhaltige Flickschusterei betreiben. Jeder Euro in die alte Halle fehlt bei der Umsetzung des neuen Eisstadions. Bis zum Jahresende werden wir uns gemeinsam mit dem Gemeinderat ehrlich machen und eine finale Entscheidung fällen müssen. Letztendlich sage ich als Finanzbürgermeister: Es geht, wie bei so vielen Themen, um eine Prioritätensetzung.