Südbaden ist im Halloween-Fieber! Überall in und um Freiburg steigen am Donnerstag, in der Nacht zu Allerheiligen, Gruselpartys und verkleidete Kinder ziehen kostümiert im Dunkeln umher, um Süßigkeiten abzustauben. Der importierte Brauch ist für die junge Generation längst eine Selbstverständlichkeit. Doch wie konnte sich das ursprünglich aus Irland stammende Fest so erfolgreich etablieren?
Längst ist Halloween aus dem Kalender nicht mehr wegzudenken: Erwachsene vergnügen sich auf Gruselpartys, Kinder ziehen um die Blöcke und fordern „Süßes, sonst gibt’s Saures“ und die beleuchteten Kürbislaternen, die aufgrund einer irischen Sage auch als Jack’o Lantern bezeichnet werden, sieht man in vielen Gärten und Fenstern.
Halloween entpuppt sich dabei als regelrechter Brauchtumshybrid, da es Elemente mehrerer herbstlicher Feste vereint: Es ist ein bisschen Erntedank (Kürbisse), Karneval (11.11.), Sankt Martin (Süßigkeiten sammeln) und nicht zuletzt auch der Versuch, auf eine säkulare Weise mit dem Vergänglichkeitsgedanken von Allerheiligen umzugehen. Von Allerheiligen rührt übrigens auch der Name Halloween – der bedeutet nämlich nichts anderes als ’All Hellows Eve’ also Allerheiligenabend.
Die christlichen Inhalte haben sich jedoch inzwischen verflüchtigt. Historisch wurde der Brauch von Irland nach Übersee exportiert und kam in den frühen 90er-Jahren in der amerikanischen Adaption zurück nach Europa – als Folge kultureller Globalisierung.
„Zunächst ist Halloween in Deutschland ein kommerzielles Geschäft, das Kindern Anlass zum Verkleiden gibt, während Eltern sich in saisonalen Dekorationen üben können. Es wurde von der Spielzeugindustrie forciert, als das Karnevalsgeschäft temporär schwächelte – das begann während des Golfkrieges 1991. Nun wird dieses doppelte Geschäft mit Kostümen und Dekoration seither gepflegt, vor allem aus kommerziellen Gründen“, erklärt Prof. Dr. Marcus Stiglegger, Medienkulturwissenschafter an der Uni Freiburg.
Ein starker Einfluss sind dabei die amerikanischen Filme und Serien mit ihren obligatorischen Halloween-Specials, wie etwa bei den Simpsons. Und jetzt in neuer Zeit sind es Netflix und andere Streaming-Dienste, die im Vorfeld von Halloween eigens produzierte Grusel-Filme zeigen. Und auch auf TikTok, Snapchat und Instagram ist Halloween ein großes Thema.
Marcus Stiglegger verweist auf den Mehrwert speziell für die ganz jungen: „Für Kinder bietet sich die Freude, Streiche zu spielen, sich gepflegt zu gruseln und Verkleidungen zu basteln. Zudem dürfen sie im Dunkeln auf die Straße, was ein zusätzlicher Reiz der Regelüberschreitung ist. Kinder brauchen die Auseinandersetzung mit dem ‘Bösen’ und ‘Monströsen’ – vor allem in einer spielerischen Form.“
Ein großes Bedürfnis nach Alltagsflucht
Filme haben dieses Fest auch bei uns stark geprägt: „Im Hollywoodkino ist der Horrorfilm seit den Universal-Filmen der 1930er Jahre eine Instanz, die ihre Monster regelmäßig modernisiert. Und jeder Feiertag und Unglückstag bekam seinen eigenen Horrorfilm, so auch Halloween mit John Carpenters Klassiker von 1978, der zahlreiche Fortsetzungen und zwei Neubelebungen erfuhr. Zudem ist Horrorkultur längst Pop geworden, wie die Cosplaykultur und der Erfolg von Serien wie Wednesday belegt“, erläutert der Freiburger Kulturforscher Marcus Stiglegger.
Für die gestiegene Lust am Feiern (Anm. der Redaktion: alle Parties lesen Sie auf Seite 4), hat Stiglegger aber noch eine weitere Erklärung: „Rauschhafte Feste sind immer ein beliebter Schritt aus der Tristesse des Alltags, und je stärker die Krisen werden, umso größer wird auch dieses Bedürfnis der Alltagsflucht.“ Die aktuelle Zeit wird von vielen als krisenhafte Zeit wahrgenommen.
Ist Halloween ein Trend oder wird es bleiben? „Heute ist Halloween aus meiner Sicht ein zweites Karneval. Es ist von der Nische längst in die Mitte der Gesellschaft gewandert. Sich fantasievoll-gruselig zu kostümieren, begeistert die Leute“, sagt der Popkultur-Forscher Andreas Rauscher. Wer heute als Kind in Deutschland lebe, wachse automatisch in die ganze Halloween-Infrastruktur hinein. Daher werde dieses Fest auch nicht mehr verschwinden, sondern eher noch in seiner Popularität wachsen, so der Wissenschaftler.