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SC Freiburg: Julian Schuster im Interview – „Ich kämpfe um die Jungs“

SC Freiburg Julian SchusterAntreiber und Teamplayer: Julian Schuster weiß bislang in seiner Rolle als Bundesligatrainer des SC Freiburg zu überzeugen. Foto: Detlef Berger

Im Wochenbericht-Interview blickt Julian Schuster auf die bisherige Saison des SC Freiburg. Dabei spricht der 40-Jährige über seinen Umgang mit den Routiniers im Kader, und die Frage, wie er mit dem Interesse anderer Vereine an seinen Spielern umgeht.

Zwei Tage vor dem Sieg in Mönchengladbach sitzt ein aufgeräumter Julian Schuster in der Schiedsrichterkabine des Europa-Park Stadions. Dort stellt sich der inzwischen 40-jährige Cheftrainer des SC Freiburg den Fragen von Wochenbericht-Redakteur Matthias Joers. Man spürt: Seine neue Aufgabe ist Schuster in Fleisch und Blut übergegangen. Wie rasant das passiert ist, überrascht aber auch den früheren SC-Kapitän und Nachfolger von Klubikone Christian Streich.

Ihr 40. Geburtstag war gerade ein öffentliches Thema. Da stellt sich natürlich die Frage nach Ihrer Jobzufriedenheit. Fühlen Sie sich wohl in Ihrem neuen Cheftrainer-Leben?

Julian Schuster: Zuerst einmal bin ich einfach nur dankbar, diese Aufgabe ausführen zu dürfen. Man muss sich immer wieder vor Augen halten: Es ist mein erstes Jahr. Und es fühlt sich doch alles so sehr vertraut und „normal“ an. Das ist schon verrückt. Ich werde an meinem Geburtstag auch nicht die Zeit haben zurückzuschauen. Aber nach der Runde werde ich mit Sicherheit auf das Jahr zurückblicken, weil es vollgepackt war mit vielen Erfahrungen und Eindrücken.

Woher kam Ihre Überzeugung, dass Sie es packen können?

Schuster: Erst einmal habe ich um mich herum viele tolle Menschen, im Trainerteam, im Staff, im gesamten Verein, plus mein privates Umfeld und meine Familie. Ich musste es nicht alleine schaffen. Wir sind ein großes Team. Ich bin auch jemand, der sich nicht zu viele Fragen stellt, der nur die Gefahren sieht. Ich bin das unvoreingenommen angegangen und bin bereit Fehler zu machen. Das gehört zu unserem Spiel. Es geht nicht darum Fehler zu vermeiden, sondern aus diesen zu lernen und sie vor allem schnell abzuhaken. So handhabe habe ich das auch in meiner Aufgabe.

Gab es Dinge, die Sie gerne umgesetzt hätten, aber nicht konnten?

Schuster: Es war anders herum. Ich war überrascht, wie schnell sich allgemeine Abläufe, Tagesabläufe, entwickelt haben. Auch geschuldet der totalen Offenheit der Spieler, des Staffs und des Trainerteams, Dinge zu verändern. Da hat sich eine unglaublich hohe Dynamik entwickelt. Auch was das Spiel angeht. Das fand ich beachtlich, dass wir in bestimmten Bereichen sehr schnell in die Tiefe gekommen sind.

Es war nicht so, dass Sie gemerkt haben, das was ich machen will, klappt gar nicht?

Schuster: Oft ist es so, dass Trainer, die in der Bundesliga ankommen, Jahre davor Zeit hatten, eine gewisse Idee zu entwickeln, um dann final überzeugt zu sein von einer Idee. Diese Zeit hatte ich nicht. Zum Glück habe ich gar nicht erst angefangen, mir über alles Gedanken zu machen, wann ich was einbringen will. Vielleicht hilft es sogar gewisse Erfahrungen nicht zu haben, sondern einfach anzufangen und zu machen. Das entspricht auch eher meinem Typus.

Christian Streich hatte an Niederlagen häufig zu knabbern und hat das auch gezeigt. Wie ist es bei Ihnen? Wie macht Ihnen ein 1:4 gegen Dortmund zu schaffen?

Schuster: Ich schaue als Erstes, wie die Leistung war. Da habe ich gegen Dortmund viel Gutes gesehen. Aber auch ich habe an Niederlagen zu knabbern. Ich glaube, das ist auch total wichtig. Niederlagen sind eine Chance, auf gewisse Dinge genauer zu schauen und diese anzusprechen.

Und das im Training in positive Energie umzuwandeln?

Schuster: Das ist der Idealfall. Das war wirklich in beiden Wochen zu spüren (nach den Niederlagen gegen Union und Dortmund, Anm. d. Redaktion). Das finde ich wichtig, denn es ist eine gute und wichtige Grundlage, um sich im nächsten Spiel wieder zu verbessern und zu belohnen.

Medienprofi: Julian Schusters neue Aufgabe erfordert Antworten. Foto: Detlef Berger

Wenn Christian Günter, Lukas Kübler, Vincenzo Grifo oder Nicolas Höfler bei Ihnen mal nicht in der Startelf stehen – alles Spieler, die 32 Jahre oder älter sind – spielt dabei der Umbruch, der zwangsläufig kommt, in Ihren personellen Überlegungen auch eine Rolle?

Schuster: Das Allerwichtigste ist es, Entscheidungen zu treffen, die die Mannschaft mittragen kann. Ich kann nicht jemanden reinbringen, weil ich sage, es kommt ein Umbruch. Wir wollen das Maximale erreichen. Wenn einer besser trainiert im Training, welche Argumente habe ich als Trainer zu sagen, den lasse ich draußen? Wenn ich das mache, bekomme ich ganz andere Probleme in der Kabine. Trotzdem geht es genau um diesen Spagat. Es wird unsere Aufgabe sein in den nächsten Jahren, diesen Umbruch als Verein zu schaffen. Das ist trotzdem einfacher gesagt als getan. Aber natürlich spielt das in unseren Gedanken eine Rolle.

Haben Sie den Eindruck, die Spieler tragen das mit?

Schuster: Das ist eben das Schöne. Dass die Jungs, die schon länger bei uns sind, eine sehr große Dankbarkeit für ihre persönliche Karriere empfinden. Dass der Verein für sie eine große Rolle spielt und sie sich genau dieser Aufgabe bewusst sind. Für Chicco (Nicolas Höfler, d. Red.), dessen Vertrag wir frühzeitig verlängert haben, geht es natürlich in erster Linie darum, alles dafür zu tun, um auf dem Platz zu stehen und von Anfang an zu spielen. Die Qualität hat er auch. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann gilt es, so da zu sein, dass er die Mitspieler besser machen kann. Das ist nicht ganz einfach für jeden Einzelnen. Wir haben aber Charaktere, die das bewusst leben können.

Wie schwer fiel Ihnen selbst das, als ein Jüngerer plötzlich mehr Spielzeiten bekam als Sie?

Schuster: Schon früh in meiner Karriere hieß es, wenn beide gleichauf sind, spielt immer der Jüngere. Das hat Robin Dutt (ehem. SC-Trainer, d.Red.) zu uns gesagt. Aber es hat zu unserer Philosophie und zur Fußballschule gepasst. Das hat mich geprägt. Auch ich bin und war dem Verein sehr dankbar, was er mir als Spieler ermöglicht hat. Ich bin damals in der zweiten Liga hierher gekommen und durfte international spielen. Das habe ich nie vergessen. Wenn du dann merkst, es kann Richtung Karriereende gehen, ist es ein schönes Gefühl, das weiterzugeben, was man gelernt hat. Das hat mir immer geholfen.

Sind Sie ein Trainer, dessen Bürotür immer offen steht?

Schuster: Ja.

Gibt es keine Phasen, wo Sie sagen, ich brauche meine Ruhe?

Schuster: Nein. Mir ist das wichtig, dass die Tür immer offen ist. Ich sage den Spielern, ich möchte nicht, dass sie Dinge in sich hineinfressen. Ich werde aber auf der anderen Seite nicht immer zu ihnen kommen. Ich glaube als Trainer ist es nicht richtig, alles immer zu erklären. Manchmal willst du das als Spieler gar nicht. Es ist aber wichtig, dass sie wissen, wie es um sie steht. Wenn dann einer mehr Details braucht, dann soll er unbedingt auf mich zukommen. Dann steht die Türe immer offen.

Jetzt kommt das Heimspiel gegen Hoffenheim. Verordnet der Trainer Schuster da eine Sondereinheit „Direkt verwandelte Eckballtore“, so wie es Ihnen 2011 als Spieler gegen die TSG gelungen ist?

Schuster: (schmunzelt) Standards sind für uns ein sehr wichtiges Element. Für jede Mannschaft. Aber wir hatten traditionell immer wieder gute Schützen und das hat uns ausgezeichnet. Aber das ist etwas sehr individuelles. Deshalb ist es brutal wichtig, den Jungs zu sagen, holt Euch diese Sicherheit. Du musst aus dem Schlaf aufstehen und den Ablauf abspulen können. Dazu ermutige ich die Jungs, dass sie einfach dranbleiben. Damit die Bälle genau dahin kommen, wo sie hinkommen sollen. Wenn das dann direkt ist, ist es eben direkt.

Die Gerüchteküche brodelt bereits. Ritsu Doan, Merlin Röhl, Kiliann Sildillia gelten in der Öffentlichkeit als Wechselkandidaten. Machen Sie sich Sorgen, dass im Sommer mehrere wichtige Spieler weggehen könnten?

Schuster: Sorgen ist der falsche Ausdruck. Natürlich hätte ich die genannten Spieler nach dem Sommer gerne noch hier. Weil sie tolle Jungs sind. Gerade zu Kiliann und zu Merlin habe ich durch meine vorherige Aufgabe als Verbindungstrainer eine sehr enge Bindung. Aber es ist Teil unseres Geschäfts, dass Jungs mit dieser Qualität gefragt sind. Ich sage da auch offen und ehrlich meine Meinung und kämpfe darum, dass die Jungs weiter hier sind. Es gibt aber Momente, wo man Dinge akzeptieren muss. Wenn ich das Gefühl habe, dass es richtig sein kann für einen Spieler, sich zu verändern, bin ich dazu bereit. Dann hat es aber meistens zur Konsequenz, dass es für den aufnehmenden Verein teuer werden kann.

Braucht der SC jemanden, der im Angriff mehr Tore erzielt?

Schuster: Generell ist das für uns ein wichtiger Punkt, wenn wir einen Spieler holen. Egal ob das ein Innenverteidiger oder ein Sechser ist. Kann ein Spieler Tore schießen? Das schauen wir auf jeder Position. Aber was uns immer wieder ausgezeichnet hat, ist, auch das Menschliche genau zu durchleuchten. Wie ist bei uns das Gefüge in der Kabine und wie passt jemand da hinein? Das hat uns immer wieder Erfolg garantiert. Außerdem ist es eine Qualität von uns, dass wir Torgefahr auf unterschiedlichen Positionen haben. Da wäre es zu einfach zu sagen, wir suchen einen, der uns die Tore garantiert. Da muss schon das Gesamtpaket stimmen.

Julian Schuster: An der Seitenlinie als Trainer hochaktiv. Foto: Picture Alliance / Norbert Schmidt

Wie ist der Fitnesszustand des Teams vor dem Saisonendspurt?

Schuster: Wir hatten zum Glück wenig Langzeitverletzte. Wir hatten einige Infekte, die die Jungs vereinzelt beeinflusst haben. Aber wir sehen, dass die Spieler nach wie vor diese Intensität gehen können.

Schuster: Sowohl als auch. Natürlich schaltet der Kopf sich ein, wenn die Spieltage weniger werden. Außerdem ist es sehr individuell. Wer hat was für eine Saison gehabt? Wer hat wie viel gespielt? In welchem körperlichen Zustand sind die Jungs drauf, die viel gespielt haben. Wie ist es bei denen, die weniger gespielt haben? Ein wichtiger Punkt sind Sperren, dann kommen Verletzungen hinzu. Aber auch die individuellen Themen, was die Zukunft eines Spielers angeht, spielen eine Rolle. Das ist ein Gesamtpaket, das herausfordernd ist, für jeden Verein. Für uns auch.

In den letzten fünf Spielen der Vorsaison gab es nur einen Sieg, davor in den letzten vier Spielen gar keinen. Ist diese Phase, in der es um die Wurst geht, eher eine Sache der Physis oder des Kopfes?

Haben Sie die Zuversicht, dass es dieses Jahr besser laufen kann?

Schuster: Wir sind dieses Thema bewusst angegangen und haben genau darauf geschaut. Und wir haben für uns im Trainerteam analysiert, was mögliche Gründe sein können. Von daher bin ich zuversichtlich, was die restlichen Spiele angeht.