25 Jahre ist es her, dass der Orkan Lothar im Südwesten gewütet hat. Als am zweiten Weihnachtstag 1999 Lothar durch den Schwarzwald fegte, maß die Wetterstation auf dem Feldberg Böen mit einer Geschwindigkeit von 212 Kilometern pro Stunde. Der damalige Forstamtsleiter Hans–Ulrich Hayn erinnert sich an das Jahrhundertereignis.
Als am zweiten Weihnachtstag 1999 Lothar durch den Schwarzwald fegte, maß die Wetterstation auf dem Feldberg Böen mit einer Geschwindigkeit von 212 Kilometern pro Stunde. In weiten Landesteilen wurden innerhalb weniger Stunden große Waldgebiete vernichtet – so auch im Freiburger Staatswald.
Vernichtende Bilanz
„Am Tag nach dem Sturm konzentrierten wir uns darauf, die öffentlichen Straßen freizuräumen, die vielerorts durch umgestürzte Bäume unpassierbar waren. Danach mussten wir die Waldwege frei bekommen, um uns überhaupt ein Bild des Ausmaßes der Schäden zu machen“, sagt Hans-Ulrich Hayn, Leiter des Forstbezirks Breisgau-Hochschwarzwald und damals als Forstamtsleiter für den Wald in Freiburg verantwortlich. Damals habe es noch keine Drohnen gegeben, mit denen man die Waldgebiete mal schnell hätte abfliegen können.
Das Ergebnis war vernichtend: Am Rosskopf hatte Lothar in einem 2,4 Hektar großen Waldstück praktisch alle Bäume umgelegt. In einem anderen Areal am Rosskopf wurde auf neun Hektar einer der ältesten Douglasienmischwälder des Forstbezirks bis auf wenige Bäume ausradiert.
Der Markt für Holz bricht ein
Für Hayn und seine Kollegen ging es nun darum, das Holz möglichst schnell aus dem Wald zu schaffen und zu verkaufen. „Ich habe Tag und Nacht versucht, zu verkaufen“, sagt Hayn. Durch das plötzliche Überangebot sei der Holzmarkt damals komplett eingebrochen. „Wir hatten auf einen Schlag dreimal so viel Holz wie sonst in einem Jahr.“ In der Not wurden Douglasienstämme sogar bis nach Japan verkauft. Doch neben dem Problem, das Holz loszuwerden, musste Hayn auch die Frage lösen, wie man mit den kahlen Flächen verfahren sollte. „Normalerweise hätten wir dort neue Bäume gepflanzt, aber da es so viele Flächen gab und Neupflanzungen auch viel Geld kosten, haben wir beschlossen, erstmal der Natur ihren Lauf zu lassen.“
Behutsame Nachhilfe
Als Hayn nach zehn Jahren wieder nach dem Waldstück schaute, war er überrascht, was sich in der Zwischenzeit ganz ohne Zutun der Förster alles getan hatte. Ein Jungwald, wenn auch noch mit einigen Lücken, mit vielen Buchen, Weiden und Ahorn war entstanden. Auch andere Baumarten wie Kirschen und Douglasien waren schon zu erkennen. Hayn war begeistert, aber als Förster hatte er auch den Wunsch, der Natur noch etwas nachzuhelfen. „Wir wollten Douglasien und Kirschen als wirtschaftlich wertvolle Baumarten fördern und für noch mehr Vielfalt sorgen.“ Auch mit Blick auf den Klimawandel beschloss Hayn einzugreifen und Douglasien, Kirschen und Esskastanien zu helfen, die mit den Klimaveränderungen gut zurechtkommen und CO2 langfristig binden können. Dafür wurden Weiden und einige andere Laubbäume an manchen Stellen geopfert, die drohten, den gewünschten Baumarten das Licht und den Platz zum Wachsen zu nehmen. Die Stämme ließ man bewusst im Wald liegen, um als Totholz Käfern, Pilzen und anderen Arten Lebensraum zu bieten.
Mehrere Joker
Wenn Hayn heute, 25 Jahre nach Lothar, durch den Wald am Rosskopf geht, ist er mit dem Ergebnis zufrieden. „Wir habe jetzt einen schönen Mischwald mit ungefähr elf verschiedenen Baumarten. Rund die Hälfte sind wertvolle Douglasien, aber wir haben auch Ahorn, Eiche, Kirsche und viele andere Baumarten.“ Für Hayn liegt in der Vielfalt der Baumarten und der Mischung aus jungen und alten Bäumen der Schlüssel zu einem stabilen Wald, der nicht nur dem Klimawandel, sondern auch Stürmen trotzen kann. „Die Dürrejahre 2018 bis 2023 haben in der Summe dem Wald mehr geschadet als Lothar.
Als Förster ist es wichtig, dass ich mehrere Joker im Wald habe. Wenn eine Baumart beispielsweise durch Trockenheit oder Schädlinge gefährdet ist, habe ich nun schon genügend andere Arten im Wald, die für Ausgleich sorgen.“ Auch nach Jahrhundertstürmen könne ein artenreicher Jungwald innerhalb weniger Jahre selbst große Lücken schließen. Aus Lothar hat Hayn Lehren gezogen: „Jungen Kollegen sage ich manchmal: Ihr müsst den Wald auch mal machen lassen.“ Das hieße aber nicht, dass man nachlässig sein dürfe. „Wir beobachten und wenn nötig, greifen wir ein.“
Autorin: Heike Schwende