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Warum mehr als 23.000 Freiburger bei der Kommunalwahl nicht mitwählen dürfen

Wahlkreis 100 Prozent FreiburgCarolina Bahamondes Pavez (links), Zweite Vorsitzende von „Wahlkreis 100 Prozent“, mit Unterstützern in der Freiburger Fußgängerzone. Gegründet wurde die Initiative im Jahr 2002. Foto: Rita Eggstein

Wenn am 9. Juni in Freiburg der Gemeinderat und das Europaparlament neu gewählt werden, dürfen 23.700 Menschen, die in Freiburg leben, nicht ihr Kreuzchen machen. Eine Ungerechtigkeit, die einer Demokratie nicht gut zu Gesicht steht, sagt der Freiburger Verein „Wahlkreis 100 Prozent“ – und will das ändern.

Bei der Oberbürgermeisterwahl 2002 waren 14.000 Menschen von der Wahl ausgeschlossen. Bei der Kommunal- und Europawahl 2024 werden es 23.768 Menschen sein. „Die Zahl wächst und das Problem wird nicht kleiner“, sagt Carolina Bahamondes Pavez, die zweite Vorsitzende von „Wahlkreis 100 Prozent e.V.“. Sie kam vor 26 Jahren aus Chile nach Deutschland. Dass sie hier bei Wahlen noch immer keine Stimme habe, sei „kein schönes Gefühl“ und „ein Demokratiedefizit“, so die promovierte Psychologin. Während am 9. Juni zumindest alle EU-Bürger wahlberechtigt seien, sei das Problem bei der Bundestagswahl 2025 noch größer. Dann dürfen 36.867 Freiburger im wahlfähigen Alter nicht mitwählen.

Symbolisches Stimmrecht

Andere Länder sind da weiter: In Spanien dürfte Bahamondes Pavez als Chilenin nach sechs Monaten wählen. In ihrem Heimatland geht es, wenn man als Zugewanderter seit fünf Jahren dort wohnt. Das Paradebeispiel ist Neuseeland – hier erhält man nach einem Jahr das Wahlrecht. Eine EU-Empfehlung wiederum liegt bei drei Jahren. „Immer mehr Städte und Länder bekennen sich dazu“, sagt Bahamondes Pavez.

Deshalb engagieren sich Menschen wie sie oder die Kanadierin Sophia Silverton bei „Wahlkreis 100 Prozent“. Bis zum 9. Juni helfen sie an den Infoständen mit, symbolische Wahlen abzuhalten. Die Idee dafür stammt aus dem Jahr 1914, als Frauenwahlrechtlerinnen in Paris für ihr Stimmrecht eintraten. Am Wahlsonntag wird der Verein mehrere Wahllokale öffnen. „Es ist eine Frage der Fairness. Es fühlt sich enttäuschend an, ohne Teilhabe zu sein“, sagt Silverton – gerade, wenn man wie die 27-Jährige voll berufstätig sei und hier Steuern zahle.

Gerade erst half sie selbst mit bei dem Wahlstand, der jeden Samstag vor dem Stadttheater steht. Auffällig sei, dass manche Menschen auch mit Unverständnis auf die Initiative reagierten. „Es gibt Spannungen, weil es ein sensibles Thema ist“, so Silverton. „Wenn man dann aber mit den Leuten ins Gespräch kommt, stößt man häufig auf Verständnis.“ Die „große Mehrheit“, so Bahamondes Pavez, würde das Anliegen unterstützen. Wie groß die Mehrheit sei, zeigt sich nach der Wahl: Dann wird der Verein alle symbolischen Stimmen den gewählten Kandidaten persönlich überreichen.

Info: www.wir-wählen.org (unter Veranstaltungen / Baden-Württemberg)
Instagram: wahlkreis100
E-Mail: kontakt@wahlkreis100.de