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Weltfrauentag: „Freiburg ist schon seit vielen Jahren reif für eine Oberbürgermeisterin“

Maria ViethenMaria Viethen (70) ist Fachanwältin für Familienrecht und trat einst in Freiburg an, um „weibliche Politik“ zu machen. Foto: Michael Bamberger

Als Maria Viethen 1994 in den Freiburger Gemeinderat kam, lag die Frauenquote bei 43 Prozent (heute: 45,8 Prozent). Wie sich Politik unter Alpha-Männern wie Donald Trump oder Elon Musk wandelt, wo die Gleichberechtigung heute steht und ob Freiburg 2026 eine weibliche Oberbürgermeisterin bekommen sollte, hat Wochenbericht-Redakteur Matthias Joers die frühere Grünen-Fraktionschefin vor dem Weltfrauentag am 8. März gefragt.

Frau Viethen, Sie haben 2024 nach 30 Jahren als Gemeinderätin aufgehört. Halten Sie im Traum noch Haushaltsreden oder sind Sie sie froh, dass das Thema für Sie erledigt ist?

Maria Viethen: (lacht) Nein, ich halte keine Haushaltsreden im Traum. Ich bin erstaunt wie wenig ich das vermisse. Ich lese immer noch, was die Kolleginnen und Kollegen so machen. Aber ich vermisse es nicht.

Als Sie Anfang 1994 in den Gemeinderat kamen, war es ein männlich dominierter Gemeinderat. Wie war das damals?

Viethen: Es gab natürlich schon eine Reihe von Frauen, wie zum Beispiel Margit Lemmer (bis 1988 Fraktionsvorsitzende der CDU, Anm. d. Red.) oder Ingrid Baas (Freie Wähler, Anm. d. Red.). Aber es war männerdominiert, auch vom Duktus her. Wir haben stundenlange Debatten gehalten. Besonders nervig waren die gegenseitigen Ehrungen. Das war nicht wie heute, wo man zehn Minuten die Verdienste eines Gemeinderats würdigt, sondern es wurde endlos lange geredet. Ich kam mir bisweilen vor wie in einem Herren-Club und dachte: Wo bist Du hier reingeraten? (lacht).

All das hat sich aber geändert?

Viethen: Ich war wie gesagt nicht alleine, es gab schon einige Frauen im Gemeinderat und es hat sich sehr, sehr viel getan. Seit Längerem sind alle Vorsitzenden von den großen drei Fraktionen Frauen. Ich denke schon, dass das einen Unterschied macht. Frauen sind ja nicht besser als Männer. Aber sie sind meist anders in der Handhabung der Dinge.

Maria Viethen (70), Rechtsanwältin, wurde 1994 für die Grünen in den Freiburger Gemeinderat gewählt. 25 Jahre war sie Fraktionschefin und wurde viermal in Folge Stimmenkönigin bei Gemeinderatswahlen. 2024 hörte sie als Gemeinderätin auf.

In der Weltpolitik stehen Männer wie US-Präsident Donald Trump, sein Vize J.D. Vance oder auch Elon Musk für eine breitbeinige Politik. Wie sehen Sie das Comeback dieser Politik des starken Mannes?

Viethen: Es irritiert mich sehr. Ich glaube, es drückt eine gewisse Verunsicherung aus, dass solche Leute sich durchsetzen können. Da werden Dinge hingenommen, die normalerweise undenkbar wären, allein in dieser martialischen Auftrittsweise. Es entsetzt mich sehr, vor allem, dass diese Männer so viel daraus ziehen, sich durchsetzen zu können und nicht Teil des Ganzen zu sein. Das macht mir schon Angst.

Heute ist die Rede von toxischer Männlichkeit und in den sozialen Medien sorgen „Manfluencer“ mit frauenfeindlichen Ansichten für Klicks. Sind veraltete Rollenbilder wieder auf dem Vormarsch?

Viethen: Es sieht so aus. Diese Leute trauen sich sehr offen Dinge zu sagen, die zeitweise verpönt waren. Ich denke, dass es eine Art Rollback gibt. Man sollte deswegen aber nicht die Flinte ins Korn werfen. Es ist ein gegenseitiges Ringen. Und ich glaube nicht, dass sich Frauen und auch Männer, die anders sozialisiert sind, sich das auf Dauer gefallen lassen.

Auch der kommende CDU-Kanzler Friedrich Merz hat bei Frauen einen schweren Stand. Wieso?

Viethen: Die Frauen haben Recht. Weil auch das ein Mann mit einem völlig veralteten Geschlechter- und Familienbild ist. Es ist ja auffällig, dass er sagt, man soll bloß nicht zu viele Frauen ins Ministeramt wählen, weil man ihnen damit keinen Gefallen täte.

Jetzt gab es Kritik an einem Foto eines Spitzentreffen von CDU/CSU, auf dem nur Männer zu sehen waren. Was sagt das aus?

Viethen: Das heißt etwas. Nämlich, dass es bei dieser Partei völlig normal ist, auch ohne Frauen die Strategie der nächsten vier Jahre in der Bundespolitik zu besprechen. Erstaunlich.

Der Gegenentwurf wäre vermutlich weniger Chauvinismus, mehr Kompromissbereitschaft, mehr Miteinander-Reden, auch Aufeinander-Zugehen und zuhören?

Viethen: Das sind Eigenschaften, die Frauen zugeschrieben werden und die sie im Mittel wahrscheinlich mehr haben. Aber durchaus nicht alle Frauen hören gut zu, und umgekehrt betrifft das nicht alle Männer. Aber es gibt schlicht ein Recht der Frauen auf Beteiligung. Und die Erfahrung zeigt, das Teams, die paritätisch besetzt sind, einfach kreativer und besser arbeiten, da jede Seite ihre Fähigkeiten einbringt. Das hat etwas mit Teilhabe zu tun. Was man jetzt sieht, ist ein echter Rückschritt.

2026 haben wir hier eine OB-Wahl. Wäre in Freiburg die Zeit reif für eine Oberbürgermeisterin?

Viethen: Klar. Ich denke, dass Freiburg schon seit vielen Jahren reif dafür ist. Das muss natürlich eine Frau sein, die nicht nur die Wahl gewinnt, sondern auch eine gute Oberbürgermeisterin ist. Frau-sein allein ist kein Programm. Aber solche Frauen gibt es. Die Frage ist halt, ob die Lust haben, in Freiburg Oberbürgermeisterin zu werden. Jetzt schauen wir mal. Aber ich denke auf jeden Fall, dass es gut wäre, wenn Freiburg auch einmal eine Frau als OB hätte.

Info: Zum Weltfrauentag am 8. März plant die Stadt Freiburg viele Aktionen für Frauen. Zum Beispiel erläutern die Steinmetzinnen der Münsterbauhütte am Di., 11. März, 12 bis 13 Uhr interessierten Frauen ihre Arbeit (Münsterbauhütte, Schoferstraße 4. Eintritt: frei. Eine Anmeldung ist nicht notwendig).

Das gesamte Programm zum Weltfrauentag in Freiburg gibt es online unter freiburg.de/pb/228700.html.