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Wie die Waldbesetzer im Freiburger Langmattenwäldchen leben

Baumbesetzer in FreiburgDie Botschaft der Baumbesetzer in Freiburg ist klar: Hände weg vom Dietenbachwald. Foto: Enya Steinbrecher

Seit Oktober vergangenen Jahres besetzen Aktivisten das Langmattenwäldchen im Freiburger Rieselfeld – im Oktober könnte die Rodung für eine geplante Gasleitung des neuen Stadtteils Dietenbach starten. Doch wer sind die Baumbesetzer, wie läuft ihr Leben im besetzten Wald ab und was sagen sie zu ihrem Fäkalien-Protest während des städtischen Dietenbach-Rundgangs?

Über die Klimagerechtigkeitsbewegung in Lützerath kam Fargo das erste Mal mit der Bewegung in Berührung: „Ich habe da riesige Bagger gesehen, die unsere Lebensgrundlage wegwalzen“, so der junge Mann Anfang zwanzig. Ein paar Jahre älter ist Momo – sie studiert im Bereich Sozialwissenschaft und hat sich ebenfalls den Baumbesetzern im Langmattenwäldchen angeschlossen. Beide möchten ihre richtigen Namen nicht nennen.

Wie viele Personen derzeit im Langmattenwäldchen leben, das sagen sie nicht. Aber: Alle Altersklassen und Menschengruppen seien dort vertreten, sagt Momo. Und: „Wir gehen davon aus, dass die Anzahl der Leute bis Oktober zunehmen wird“, so Fargo.

Oktober. Das ist der Zeitpunkt, zu dem die Rodungen für eine geplante Gasleitung beginnen könnten. Rund vier Hektar sollen für den Stadtteil Dietenbach weichen. „Diese vier Hektar sind nicht nur eine kalte Zahl: Sie sind Lebensraum für viele Tiere und auch Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind“, so Fargo. Menschlicher Lebensraum dürfe nicht wichtiger als der für Tiere sein, findet er. „Wir spüren schon jetzt die Folgen des Klimawandels – der Wald ist unsere Klimaanlage.“

„Es ist ein belastendes Gefühl, wenn man an die Rodung denkt“, sagt auch Momo. Ihre Emotionen versuche sie in konstruktive Arbeit zu stecken. „Ich gebe mir Mühe, Verständnis zu haben“, sagt sie. Sie versucht, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. „Wir wollen aktiv darauf achten, die Menschen mitzunehmen“, sagt sie. Sie möchte nicht, dass sich die Bewegung zu einer Parallelgesellschaft entwickelt: „Wir wollen in die Gesellschaft hineinwirken und zugänglich sein.“

Urinbecher in Richtung von Journalisten ausgekippt: Heiligt der Zweck jedes Mittel?

Dazu gehören auch öffentlichkeitswirksame Auftritte: So war die Bewegung beim Rieselfelder Stadtteilfest mit einer Aktion aktiv, um auf Hitzetote aufmerksam zu machen. Doch es gibt auch negative Schlagzeilen: Zuletzt bei einem Rundgang von Stadt und Presse auf dem geplanten Dietenbachareal.

Dort sollen vermummte Aktivisten unter anderem Fäkalien in Richtung der Teilnehmenden gekippt haben. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Diskussion sachlicher verläuft“, sagt Fargo dazu zunächst, hat aber offenbar auch Verständnis für diese Grenzüberschreitung jeglicher Anstandsformen: „Das zeigt einfach, was für eine Sauerei das ist, was gerade passiert.“

Flächenversiegelung dürfe nicht weiter eine Option sein. Stattdessen müsse man zum Beispiel Gebäude umnutzen, die derzeit nicht optimal genutzt würden. „Unser Essen wächst nicht im Supermarkt“, sagt Fargo. „Es gibt Dinge, da kann ich über den Inhalt diskutieren, mich aber innerhalb der Grenzen solidarisch zeigen“, sagt Momo.

Diese Grenze sei jedoch mit Gewalt überschritten. Ein „Fäkalienangriff“ sei laut ihr jedoch der falsche Begriff. Es seien aus ihrer Sicht nur Urinbecher ausgekippt, aber nicht direkt auf Menschen gezielt worden. Über die Aktion diskutiere man jedoch auch innerhalb der Bewegung.

Eines der Baumhäuser, die derzeit im Langmattenwäldchen bewohnt werden. Foto: Dieti_bleibt

Derzeit lebt Momo aufgrund einer Fußverletzung nicht aktiv im Wald. Trotzdem ist sie gerne dort: „Ich habe dort eine ganz andere Verbindung zum Ökosystem, wenn da morgens ein Eichhörnchen am Schlafsack vorbeiläuft oder ich einen Käfer aus nächster Nähe sehe“, sagt sie. Zu wissen, dass das bald vorbei sein könnte – „das macht schon etwas mit einem“, sagt Momo.

Unter den Baumbesetzern geht es zu, wie in einer großen WG: Anschließen könne sich ihnen jeder – die meisten die kämen, blieben direkt für ein paar Wochen. Gemeinsam organisieren die Aktivisten Lebensmittel, kochen auf dem Feuer oder auf Campingkochern. Das Leben sei entschleunigter, allein das Kochen nehme viel Zeit in Anspruch, so Momo.

„In der Waldbesetzungsszene habe ich meine
Heimat gefunden“,

Fargo, Waldbesetzer aus Freiburg

Feste Aufgaben gibt es im Aktivisten-Camp nicht: Stattdessen kümmert sich jeder um alles. Dabei komme es auch mal zu Konflikten. Trotzdem entstünden am Lagerfeuer wertvolle Gespräche: „In der Waldbesetzungsszene habe ich meine Heimat gefunden“, sagt Fargo.

Sowohl Fargo als auch Momo sind nicht zum ersten Mal bei einer Baumbesetzung dabei. Manche Menschen sehe man bei unterschiedlichen Besetzungen immer wieder. Einige würden nebenher studieren, arbeiten oder sich der Bewegung nach dem Schulabschluss anschließen. Andere leben Vollzeit im Wald: Das bedeutet, auch bei Regen oder im Winter unter schlechten Bedingungen auszuharren. „Das geht an die Substanz“, wissen beide.

Zwischen den unterschiedlichen Charakteren käme es auch bisweilen zu Konflikten, sogar sexuelle Übergriffe kämen vor; nicht mehr, als anderenorts, aber trotzdem müsse sich die Bewegung auch intern überlegen, wie man damit umgehe, so Momo. „Wir sind eng beieinander.“