Die Hinrunde der Fußball-Bundesliga beendete der SC Freiburg mit einer größeren Punktausbeute als im Vorjahr. Ein Erfolg, den sich auch Streich-Nachfolger und Chefcoach-Novize Julian Schuster ans Revers heften darf – trotz der gefestigten Mannschaftsstruktur, die er beim SC vorgefunden hat. Wie Schuster als Trainer tickt, zeigte ganz besonders das erste Spiel des Jahres.
Als am letzten Samstag nach dem Abpfiff gegen Holstein Kiel die Fehleranalyse im Freiburger Lager begann, stand der Trainer schnell im Kreuzfeuer der Kritik. Hat Julian Schuster durch seine fünf Auswechslungen innerhalb von 13 Minuten das flatterhafte Verhalten seiner Mannschaft in den Schlussminuten begünstigt und so die bis dato komfortable 3:0-Führung in Gefahr gebracht? Und ist er sogar Wiederholungstäter, weil genau so etwas kurz vor Weihnachten gegen Wolfsburg schon einmal passierte?
Höflich und klar
Seit einem halben Jahr ist der 39-Jährige nun als hauptverantwortlicher Cheftrainer des SC Freiburg im Amt. Teil der Jobbeschreibung eines so exponierten Trainerdaseins ist es, sich in der Öffentlichkeit unbequemen Fragen zu stellen. Die Art und Weise, wie ein Bundesligatrainer mit kritischen Fragen umgeht, sagt viel über dessen Persönlichkeit aus. Der eine reagiert darauf pikiert, den nächsten lässt es kalt, ein anderer wiederum geht in den Gegenangriff über. Und Schuster? Der reagiert eben wie Julian Schuster: Höflich, unprätentios, aber klar in der Sache.
Selbstkritik als Basis
„Natürlich suchen wir die Gründe bei uns. Ich fange immer bei mir an“, sagte Schuster in gewohnt ruhigem Ton am Samstag auf der Pressekonferenz. Ein Satz, den man dem gebürtigen Bietigheimer, der schon in seiner Zeit als SC-Kapitän stets voranging, sofort abkauft. „Ich versuche, jederzeit so zu sein, wie ich bin“ ist noch eines dieser Schuster-Zitate, mit dem man vielleicht nicht die Schlagzeilen im Boulevard dominiert, die aber zeigen, dass er sich von seinem Vorgänger Christian Streich so einiges abgeschaut hat.
Das eigene Hinterfragen, die Selbstreflexion, die Schuster sich selbst abverlangt, fordert er auch von seinen Spielern ein. „Wir müssen die Dinge selbstkritisch aus den unterschiedlichsten Sichtwinkeln betrachten“, sagt der vierfache Familienvater und nimmt die Spieler in die Pflicht.
Klare Linie, klare Worte
Unbequeme Entscheidungen zu treffen und klar zu kommunizieren ist ein anderer Aspekt, den der Trainerjob mit sich bringt. Auch hier scheint Schuster seine Hausaufgaben gemacht zu haben. Vor klaren Ansagen, auch in der Öffentlichkeit, schreckt er nicht zurück, achtet dabei aber auf den richtigen Ton: „Die Jungs, die auf dem Platz stehen, haben eine gewisse Verantwortung, die Jungs zu unterstützen, die reinkommen“, so Schuster zur Wechsel-Causa vom Samstag.
Eine klare Linie fährt der Trainerneuling auch in einem besonders diffizilen Fall: Spieler, denen er keine oder zu wenig Einsatzzeiten gibt, gesteht er zu, unzufrieden sein zu dürfen und das auch zu zeigen – unter einer Bedingung, wie er im Interview mit der Badischen Zeitung erläuterte: „Ich brauche keine zufriedenen Spieler, keine die mit mir lachend über den Trainingsplatz laufen. Entscheidend ist, dass ihre Unzufriedenheit keinen Einfluss auf ihre Trainingsleistungen hat“, so Schuster. Punkt.
Und so hat das erste Spiel des Jahres viel von dem gezeigt, was Julian Schuster als Trainer ausmacht und was ihn auch in der Rückrunde auszeichnen dürfte. „Ich freue mich über die Entwicklung der Mannschaft und die Art und Weise, wie wir spielen.“ Da sei die erreichte Punktzahl „ein Spiegelbild“ dieser Entwicklung. „Wichtig“ sei ihm vor allem, „dass die Jungs über unsere Spielweise diskutieren, sich darüber austauschen. Sie sind diejenigen, die die Entscheidungen auf dem Platz treffen und das auf dem Platz bringen müssen.“ Und nach seinem ersten Halbjahr als Chefcoach gebe es viele Dinge, „dich mich sehr positiv stimmen und auf die wir aufbauen können.“
Und was sagen die Spieler?
In der SC-Kabine kommt Schusters Art offensichtlich an – anders ist die bisherige Erfolgsbilanz auch kaum zu erklären. Kapitän Christian Günter sagt: „Ich glaube damit haben viele nicht gerechnet. Auch bei uns war ein gewisses Fragezeichen vor der Saison da, nach 12 Jahren Christian Streich und dem Wechsel zu Julian. Aber er macht es herausragend gut und das Trainerteam macht es herausragend gut“, so Günter. Dem ist – fürs Erste – nichts hinzuzufügen.